Italien im letzten Sommer.
Die Sonne scheint. Ich sitze auf einer Bank. Genieße ein Gelato alla fragola
und den Trubel um mich herum. Ich gönn‘ mir was und: wunder‘ mich. Wunder‘ mich
über die Blicke der Leute, die an mir vorbeigehen. Ich sitze auf einer roten
Bank; einer Panchina Rossa. Die rote Bank ist in Italien ein Aufschrei
gegen Gewalt gegen Frauen. Das Rot steht für all das Blut, dass zuhause an
aufgeplatzten Augenbrauen trocknet. An all das Blut, dass die OP-Tücher nach
Stich- oder Schussverletzungen oder Tritte mit schweren Schuhen erst rosa, dann
rot, dann braun färbt. An all den Schmerz und die so oft tödlich ausgehenden
Konflikte hinter geschlossenen Türen.
Wieder zuhause
entdecke ich mehr und mehr rote Bänke. Ich würde auch gern‘ ein sichtbares
Zeichen gegen Gewalt gegen Frauen setzen. Vielleicht ist eine rote Bank vor dem
Gemeindehaus eine gute Idee. Oder in der Kirche ein Platz, vor dem rote Schuhe
stehen. Oder ein Platz auf dem eine rote Tasche steht. Rot für die Gewalt. Aber
auch rot für die Leidenschaft mit der wir uns füreinander einsetzen. Und dazu
der Hinweis, wo man Hilfe bekommen kann, wenn man betroffen ist. Vielleicht
besser noch eine offene Sprechzeit, damit man nicht anrufen muss, nicht vom
Partner oder auch der Partnerin erwischt wird und der Hilfeschrei schlimme
Konsequenzen hat. Es gibt viele Möglichkeiten. Anfangen wär‘ ein Anfang, denk‘
ich.
Stand Anfang April gab
es bereits 39 Femizide in Deutschland. Und das ist nur die Zahl der Frauen, die
durch die Gewalt ihres Partners, Ex-Mannes, Bekannten, Verwandten,
Lebensgefährten, Bruders, Sohnes, Vaters, Mitschülers oder Nachbarn getötet
wurden. Die, die überlebt haben und zuhause weiter gedemütigt, geschlagen oder
vergewaltigt werden, ist noch viel größer. (1) Geschlechtsspezifische Gewalt
ist eine der am weitesten verbreiteten Menschenrechtsverletzungen in der Welt.
Das sagt die Istanbul-Konvention. Darin wird jede Form von Gewalt gegen Frauen
verurteilt. Und außerdem sagt sie, dass geschlechtsspezifische Gewalt kein
Frauenproblem ist. Also nicht allein Sache der Frauen, Lösungen zu finden. (2)
Eine sehr einfache
Lösung kann neben dem Aufstellen von roten Bänken zum Beispiel sein: Frauen
sichtbar zu machen. In der Politik, in Führungspositionen … auf dem Bau. Frauen
müssen gesehen werden. Und wir müssen die Geschichten von Frauen erzählen, die
den Mut haben, der Gewalt zu entkommen. Vielleicht trauen sich dann mehr und
mehr, ihre Geschichten zu erzählen. Ich hoffe das sehr!
Quellen:
(1) https://www.onebillionrising.de/femizid-opfer-meldungen-2024/ (Stand: 04. April 2024)
(2) https://www.panchinerosse.it/materiali (Stand: 04. April 2024)
Redaktion:
Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63808_WDR2240415Riedel.mp3