Wort zum Totensonntag: Die Kraft der Religion

Kommt da noch was? Die Frage liegt über diesem Sonntag. Es ist der Totensonntag oder auch Ewigkeitssonntag genannt. Wir lesen den Namen von jedem im letzten Jahr Verstorbenen in unserer Gemeinde vor und zünden eine Kerze an. Der Gottesdienst soll Trost und Zuversicht schenken. Dazu besonders viel Musik. Sie ist bei uns Protestanten das, was bei den Katholiken der Weihrauch ausmacht, sie verbindet Himmel und Erde.

Engelsruhe auf dem Bonner Friedhof in Poppelsdorf (Foto: Joachim Gerhardt)

Was bleibt von einem Menschen? Was erwartet uns noch? Wir lesen die Verse aus der Bibel, dem 2. Petrusbrief „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach Gottes Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“

Erwarte ich noch etwas vom Leben? Angesichts des Todes eines lieben Menschen kann man dauerhaft in Verzweiflung versinken. Auch angesichts von so viel Terror, Krieg in der Welt, angesichts der Klimakrise. Viel Einsamkeit und ein Gefühl von Ohnmacht kennzeichnen unsere Zeit. Die große Chance von Religion ist, dass sie den Horizont weitet. Weiter als wir denken können – eben bis in alle Ewigkeit.

Religion kommt von lateinisch „religare“, zu Deutsch „sich verbinden“. Verbinden mit anderen, ich bleibe nicht allein, und im Sinne von rückbinden. Ich darf mich geborgen fühlen und bekomme eine Ahnung, das Leben ist sinnvoll, auch meins, und ich komme irgendwo her und gehe eines Tages irgendwo hin. Zu Gott. Diese großartige Zusage kann nur Religion stiften, wie immer wir uns Gott auch vorstellen.

Jede Kerze ein Gebet oder ein Licht in Verbindung mit einem lieben Menschen (Foto: J. Gerhardt)

Am Ewigkeitssonntag geht es um Vertrauen. Und Vertrauen gibt Kraft, auch Verluste und Niederlagen zu überleben. Und gibt Kraft, unverdrossen jetzt und hier schon etwas anzupacken und besser zu machen. Die Verheißung eines „neue Himmels und einer neuen Erde“ ist nämlich keine Vertröstung auf irgendwann mal, sie fängt hier an: überall wo Menschen daran glauben und das Leben nicht dem Tod überlassen.
Joachim Gerhardt

Kölnische/Bonner Rundschau

 

Geistlicher Impuls

Joachim Gerhardt, Pfarrer an der Bonner Lutherkirche und Pressesprecher des Kirchenkreises Bonn, schreibt alle drei Wochen das „Wort zum Sonntag“ in der Gesamtausgabe der Kölnischen/Bonner Rundschau, auf Seite 4 in der der großen Tageszeitung in der Köln-/Bonner Region. Hier erfahren Sie mehr: www.rundschau-online.de

(Text erscheint am 25.11.2023)

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  • 24.11.2023
  • Red
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