Guten
Morgen.
Sie
hängt an einer Kette, die ich trage. Eine kleine goldene Uhr mit weißem
Zifferblatt. Früher hat sie auch mal funktioniert. Seit Ende des zweiten Weltkrieges
hatte meine Großmutter sie nur noch als Schmuckstück getragen, und ich lass das
jetzt auch so. Diese Uhr war das einzige Schmuckstück, das die Flucht aus
Oberschlesien überstanden hatte. Und so erinnerte die Uhr meine Großmutter an
die alte Heimat.
Wenn ich die Uhr im Kreis von
Menschen zwischen 50 und 60 trage und ihre Geschichte dazu erzähle, erzählen
wir uns schnell gegenseitig die Kriegs- oder Fluchtgeschichten unserer Eltern
und Großeltern. Und stellen fest: Eigentlich gibt es in fast jeder Familie eine
Migrationsgeschichte. Zumindest ein Elternteil musste flüchten: meine
Großmutter mit meinem Vater aus Pless in Oberschlesien. Großmutter und Mutter meines
Mannes aus Danzig. Seine andere Großmutter mit seinem Vater flüchtete aus
Georgendorf im Sudetenland. Und dann das schwere Leben im Krieg: Meine
Großmutter mütterlicherseits hat mit ihrem Mann die Kriegsjahre in Duisburg
zwischen dem Haus und einem Bunker in der Nähe verbracht. Sie hatten die bettlägerige
Urgroßmutter im Haus. Die konnte nicht mehr in den Bunker gehen, wenn
Fliegeralarm war. Meine Mutter, damals 14 Jahre, hatten meine Großeltern zur
Verwandtschaft nach Lichtenau bei Paderborn geschickt, auf dem Land war es
sicherer als in der Stadt.
Wenn ich die Uhr in unserer
Schule trage und ihre Geschichte dazu erzähle, sind Schülerhttps://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63467_WDR35240308Anders.mp3