Sehnsucht nach Wärme

Kirche in WDR2 | 03.04.2024 | 00:00 Uhr

Maximilian

ist mit seinen 32 Jahren in einer Lebensphase, in der er sich fragt, wie er zu

dem geworden ist, der er jetzt ist. Schon in der Schule hatten es ihm die

Naturwissenschaften angetan. Daraus hat er einen Beruf gemacht. Als Journalist

schreibt er über die neusten Erkenntnisse aus Forschung und Technik. Seine

Maxime: „Schreibe über nichts, für das du nicht ausreichend Beweise hast“. Jetzt

merkt er, dass ihm etwas fehlt: Es ist nichts, was er mit seinem Denken

erfassen kann, es ist eher ein Gefühl. „Sehnsucht nach Wärme“, sagt er.

Er

erinnert sich gerne, wie er als Kind mit der Mama im Gottesdienst gewesen ist.

Wenn er an den Kirchgang denkt, hat er heute immer noch ein gutes Gefühl.

Trotzdem denkt er immer wieder darüber nach, aus der Kirche auszutreten. Zu

viele Skandale, zu wenig Relevanz im Alltag, zu viel Abstand im Denken.

Neulich

hat er zu einer Studie recherchiert, die sich mit dem Gesundheitszustand von

religiösen Menschen befasst hat. Die Forscher konnten zeigen, dass gläubige

Menschen, seltener Herzinfarkte erleiden, weniger übergewichtig sind, bessere

Blutdruckwerte haben und ein kleineres Risiko besitzen, abhängig von

Suchtmitteln zu werden.

Irgendwas

muss also dran sein am Glauben, denkt er. Aber was genau ist es?

Auf

einer Party trifft er eine angehende Pfarrerin. „Woher weißt du, dass es Gott

gibt?“, fragt er. „Er war immer schon da, solange ich mich erinnern kann, sagt

sie. Und als ich zehn Jahre alt war, habe ich mich entschieden, dass ich nicht

in die Hölle will, denn: Wer nicht glaubt, für den gibt es keine Erlösung!“ Sie

schickt ihm über Insta ein paar Kanäle, die er sich mal anschauen könne: Er

braucht nicht lange, um durch den Feed zu scrollen, bis er merkt: Das ist

überhaupt nichts für mich!

Wenig

später ist auf einer Dienstreise in Berlin. Er kommt an einem mächtigen

Kirchbau vorbei. Davor sitzt auf einem Klappstuhl eine Pfarrerin. Über ihrem

Talar trägt sie eine Stola in den Farben des Regenbogens. Er setzt sich auf den

noch freien Klappstuhl und sagt: „Ich dachte, queere Menschen kommen in die

Hölle?“ Sie fängt an, zu schmunzeln und sagt: „Wenn es eine Hölle gibt, dann

hoffe ich, dass sie leer ist. Und falls Gott überhaupt Probleme hat, dann am

wenigsten mit der sexuellen Orientierung seiner Menschen.“

Eine

gute Stunde reden die beiden über „Gott und die Welt“ im besten Sinne. „Jetzt

muss ich aber los“, sagt er. „Nicht ohne einen Reisesegen, kommen Sie, wir

gehen in die Kirche.“

Als

die beiden im Altarraum stehen und sie ihm die Hände auf den Kopf legt, spürt

er: Wärme und Sehnsucht; wie damals.

Redaktion:

Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

  • 3.4.2024
  • Knut Dahl-Ruddies
  • cco pixabay