Dein schönes, schwarzes Haar

Kirche in 1Live | 05.03.2024 | 00:00 Uhr

Vor zwanzig Jahren war mein

heutiger Mitbewohner Lamine das erste Mal bei mir zu Besuch. Seit damals sind

wir beste Freunde. Als ich ihn das erste Mal mit nach Hause brachte, fragte

meine Mama: „Darf ich einmal dein schönes, schwarzes Haar anfassen?“(2) Lamine

hat sie gelassen, dabei etwas verkrampft gelächelt, mit uns gegessen und sich

höflich für die Gastfreundschaft bedankt.

Die Sache mit den Haaren

erlebt er fast täglich. Beim Einkaufen kam es vor, dass ein Verkäufer mit ihm

Englisch sprach. Einmal wurde ich im Klamottenladen gefragt, ob mein Freund

sich das denn leisten kann. Den Mietvertrag für unsere WG hab‘ ich

unterschrieben; weil klar war: Lamine Suleiman Masunga braucht es hier gar

nicht erst zu versuchen. Nun sitzen wir am WG-Küchentisch und ich höre die

Rufe: “Ganz Dortmund hasst Nazis”. Wir gehen zum Fenster. Unser Blick geht auf

ein großes Plakat, darauf steht: “Wir sind alle gleich.” Lamine guckt mich an:

„Ja, das sind wir, aber wir

sind es nicht hier.“(3) Und das erste Mal sehe ich ihn weinen. Vor Trauer und

Wut: Weil aus Alltagsrassismus offen geäußerte Abschiebe-Forderungen wurden. Und

vor Freude: Weil so viele Menschen da draußen sind und Flagge zeigen. Dann

geht’s ganz schnell: Jacken, Treppe, Haustür. Und wir sind mitten in der Demo.

Wenigstens für diesen Moment: alle gleich. In der Stadt, in der Lamine geboren

wurde.

Quellen:

(1)-(3) Der Beitrag ist inspiriert und an zwei Stellen

wörtlich zitiert von der Kettcar-Single München, erschienen im Januar 2024.

Einen Tag vor den Vielfalt-Kundgebungen in Dortmund und ganz vielen anderen

Städten:

Sprecher: Jan

Primke

Redaktion:

Pfarrerin Julia-Rebecca Riedel

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63476_1LIVE240305Richter.mp3

  • 5.3.2024
  • Sebastian Richter
  • © CCO Pixabay
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