genügsam

Kirche in WDR3 | 16.04.2024 | 00:00 Uhr

Guten Morgen,

als ich noch ganz klein war, und das ist lange her, haben unsere

Großeltern noch Zeitungspapier kleingeschnitten und als Toilettenpapier

benutzt. Gebadet wurde einmal in der Woche, sonst tat´s der Waschlappen. Da war

man noch genügsam. Und hat geschätzt, was man hat, wenn es auch nur wenig war.

Als Studentin habe ich meine Wäsche im Wachsalon gewaschen. Und ich habe dort

immer wieder einen Mann getroffen: Der legte seine längst zerschlissene und

vollkommen unmoderne Jeans jedes Mal nach dem Waschen und Trocknen so liebevoll

zusammen, als wäre es ein neu angeschafftes, teures Markenmodell. Bis heute

habe ich das Bild vor Augen, weil mich das so beeindruckt hat. Mit der Zeit hat

sich unser Wohlstand immer mehr gesteigert. Über Jahrzehnte ging es bergauf,

wir konnten uns immer mehr leisten, es ging uns immer besser. Und es gab nur

eine Richtung: immer mehr, immer weiter, immer höher. Das Ergebnis ist: In

wenigen Wochen, am 2. Mai, ist für uns in Deutschland schon Erdüberlastungstag

oder auch Welterschöpfungstag genannt. Das heißt: Ab dann leben wir auf Pump. Bis

dahin haben wir alle nachwachsenden Ressourcen in Deutschland für dieses Jahr

schon verbraucht. Und wenn alle auf der Erde so viel verbrauchen würden wie wir

in Deutschland, stünde die Erde vor dem Kollaps. Damit sind wir mit unserem

Verbrauch an auch schon im obersten Drittel von allen Ländern der Erde und

rücken immer weiter nach vorne. Qatar ist schon Anfang Februar soweit gewesen,

Indonesien erst im November. Der „End of Fish Day“, der Tag der Überfischung

2024 bei uns, war sogar schon Ende Februar. Bis dahin hatten wir die

Fischreserven aus der Nord- und Ostsee für das ganze Jahr schon aufgebraucht. Und

wir müssten bis Silvester auf Fisch verzichten. Doch wir holen uns Fische aus

anderen Meeren der Welt – und fischen die damit leer. Wenn wir hier die

Notbremse ziehen wollen, müssen wir wieder genügsamer werden. Unsere Haltung

zum Konsum und zum „Immer-höher-immer-weiter“ ändern. Die Wirtschaft und die

Industrie insgesamt und wir, jede und jeder für sich. Da wo die Politik es

bisher versucht hat, zum Beispiel beim Energiesparen, gab es riesige Proteste,

weil wir persönlich auf etwas Komfort verzichten sollten. Das möchte niemand.

Verzichten macht unzufrieden. Etwas nicht zu bekommen, was man so gerne hätte,

führt zu Protest. Genügsam zu sein, macht einen aber zufriedener. Das heißt

nämlich; Ich brauche gar nicht mehr so viel. Ich habe gar nicht mehr den Drang,

immer mehr haben zu wollen. Mir reicht, was ich habe, ich bin dankbar dafür.

Ich lerne zu schätzen, was ich habe und konzentriere mich auf das, was im Leben

sonst noch wichtig oder sogar viel wichtiger ist. Was oftmals auch nichts

kostet und die Erde nicht ausbeutet. In der Bibel ist da vom christlichen

Glauben die Rede, vom Beten, Gottesdienst feiern und von einem Leben voller

Nächstenliebe. Da steht: „Richtig verstanden ist die Ausübung des Glaubens ein

großer Gewinn – wenn man dabei noch genügsam ist. Denn wir haben nichts in die

Welt mitgebracht. Also können wir auch nichts aus ihr mitnehmen. Wenn wir

Nahrung und Kleidung haben, soll uns das genügen.“ (1. Timotheus 6,6-8,

Basis-Bibel) Genügsam zu sein macht zufrieden, gibt Sinn und entlastet die

Erde. Was für eine rundum gute Idee.

Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR

5:)

Findet Ihre Barbara Schwahn, Krefeld.

Quelle: https://overshoot.footprintnetwork.org/newsroom/country-overshoot-days/

(letzter Abruf 10.03.24)

https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/end-of-fish-day-deutsche-fischreserven-in-nord-und-ostsee-fur-2024-bereits-heute-aufgebraucht-11285905.html (letzter Abruf 10.03.24)

Redaktion:

Landespfarrerin Petra Schulze

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63754_WDR35240416Schwahn.mp3

  • 16.4.2024
  • Dr. Barbara Schwahn
  • © CCO Pixabay
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