Selbstoptimierungsquatsch

Kirche in WDR2 | 02.04.2024 | 00:00 Uhr

Auf

eine einfache Frage auch ganz einfach zu antworten, das fällt mir mitunter gar

nicht mehr so leicht. Ich meine mich vergewissern zu müssen, ob das, was mir

spontan einfällt auch wirklich richtig ist.

Ein

Beispiel: Auf die Frage: „Guten Morgen, wie hast du geschlafen?“, habe ich

früher geantwortet, „danke gut“, oder „nicht so doll; hab lange wach gelegen.“

Heute

sage ich: „Ich denke gut, aber mal sehen, was die Uhr sagt.“

Seit

zwei Jahren führen meine Sport Uhr und ich nämlich eine enge Beziehung. Am

Anfang bin ich mir unsicher gewesen, ob es auch eine gute Beziehung wird.

Schließlich bin ich lange genug, auch ohne meine Sport Uhr ganz gut klargekommen.

Auch als ich für den jährlichen Marathon trainiert habe. Heute sagt die Uhr mir

auf Knopfdruck, dass es noch ein weiter Weg ist, bis ich für so einen langen

Lauf (wieder) fit genug bin. Und sie sagt mir eben auch: „Schlafqualität

ausgezeichnet, viel Tiefschlaf“, oder „Schlafqualität schlecht, heute nur

lockeres Training und Erholung.“

„Jetzt

machst du auch noch mit bei dem neumodischen Selbstoptimierungsquatsch“, sagt

mein Trainingspartner bei unserer wöchentlichen Runde im Wald, „hätte ich von

dir nicht gedacht! Und was machst Du, wenn die Uhr

behauptet, du hast schlecht geschlafen, aber du fühlst dich eigentlich gut. Wer

hat dann recht?“, fragt er und schaut abschätzig auf mein Handgelenk.

„Verrückt werden“, sage ich scherzhaft und mich daran erinnern,

dass ich mehr bin als eine Maschine. Lebendigkeit ist eben mehr als man zählen,

messen und wiegen kann. Und erst recht, als man an einer Uhr ablesen kann. Wo

Leben ist, da wird aufgebaut, abgebaut; es wird optimiert und entsorgt,

interveniert und repariert. Diesen Rhythmus kann man schon in menschlichen

Zellen beobachten und erst recht darüber hinaus: Dann nämlich, wenn es um die

Beziehung zu mir selbst und erst recht, wenn es um andere Menschen geht.

Auch die Erzählungen der Bibel sind voll von Erfahrungen dieser

Lebendigkeit. Allen voran die Ostergeschichten. Als Dreh- und Angelpunkt des

christlichen Glaubens erzählen sie von Zerstörung und Überschreitung; von

Rastlosigkeit und Suche im Leben. Sie erinnern daran, dass nichts Geschaffenes

endgültig, unveränderlich und widerspruchslos ist.

Bezeichnender Weise gipfelt die Ostererzählung des Lukas in einer

Frage:

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Und die

einfache Antwort ist: „Er ist nicht hier, er ist auferstanden.“ (Lk 24,6)

Redaktion:

Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63737_WDR2240402Dahl.mp3

  • 2.4.2024
  • Knut Dahl-Ruddies
  • cco pixabay
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