Autor:
Guten Morgen!
Interessiert betrachtet
das Mädchen die kleine Raupe auf dem Blatt. Sie nimmt sie vorsichtig in die
Hand und beschließt, sie mit nach Hause zu nehmen. Dort setzt sie sie in eine
Schachtel, gibt ihr zu essen und schaut mehrmals täglich nach ihr. Geduldig und
gespannt beobachtet sie, wie die Raupe sich verändert. Sie spinnt sich in einen
Kokon ein. Und schließlich schlüpft daraus ein zarter Schmetterling. Dieses
Erlebnis wird sie ihr ganzes Leben nicht mehr loslassen. Sie wird später
leidenschaftliche Naturwissenschaftlerin: Maria Sibylla Merian. Heute ist ihr
Geburtstag. 1647 wird sie in Frankfurt am Main geboren.
Sprecherin: „Ich habe mich von Jugend an mit der Erforschung
der Insekten beschäftigt. Zunächst begann ich mit Seidenraupen in meiner
Geburtsstadt Frankfurt am Main. Danach stellte ich fest, dass sich aus anderen
Raupenarten viel schönere Tag- und Eulenfalter entwickelten als aus
Seidenraupen. Das veranlasste mich, alle Raupenarten zu sammeln, die ich finden konnte, um ihre Verwandlung
zu beobachten. Ich entzog mich deshalb aller menschlichen Gesellschaft und
beschäftigte mich mit diesen Untersuchungen.“ (1)
Autor: Insekten haben es Maria Sibylla Merian angetan. Sie ist
fasziniert von den unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Schmetterlingen.
Ihre Beobachtungen zeichnet sie detailliert auf – im wahrsten Sinn des Wortes: Denn
sie ist eine begnadete Zeichnerin und Malerin. Hervorragende Tier- und
Pflanzenbilder entstehen aus ihren Beobachtungen. Sie füllen viele Bände.
Ihre Studien führen
Maria Sibylla Merian bis nach Surinam in Südamerika. Zwei Jahre erforscht sie
mit einer ihrer beiden Töchter Schmetterlinge im tropischen Regenwald und
entdeckt dabei unbekannte Tier- und Pflanzenarten. Sie veröffentlicht ihre
Entdeckungen. Zunächst wird sie belächelt wegen ihrer Studien – damals vor
allen Dingen auch, weil sie eine Frau war. Wie sie in ihrer Zeit trotz
Gegenwind bedeutende wissenschaftliche Akzente setzt, ist außergewöhnlich. Im
Laufe der Zeit wird sie eine Berühmtheit und Vorläuferin der modernen
Insektenkunde. Viel später ziert ihr Portrait die 500-DM-Scheine.
Maria Sibylla Merian
betrachtet die Insekten nicht nur mit dem sachlichen Blick einer
Wissenschaftlerin, sondern sie schaut mit Ehrfurcht auf alle Geschöpfe, die sie
beobachtet. Ihr genaues Hinsehen hat für sie zutiefst etwas mit ihrem Glauben
zu tun.
Sprecherin: „Es ist kein
Wurm so abscheulich und so geringe in unseren Augen, der uns nicht, wenn wir
nur die gehörige Aufmercksamkeit daran wenden wollten, von der Weisheit des
großen Baumeisters Himmels und der Erden völlig überzeugete.“ (2)
Autor: In der Bibel, im Buch der Weisheit, sagt einmal jemand über
Gott:
Sprecherin: „Gott, du liebst alles, was ist, und
verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast. Du schonst aber alles, denn
es ist dein, Herr, du Liebhaber des Lebens.“
Autor: Gott ist ein Liebhaber des Lebens. Seine Geschöpfe – und
seien sie in unseren Augen noch so gering und unbedeutend – weisen auf Gott
hin. Gott hat alles Leben geschaffen. Und unser Leben hängt mit dem Überleben
der Insekten unmittelbar zusammen. Maria Sibylla Merians glaubender Blick auf
Gott und die Welt macht mich empfindsamer gegenüber der Schöpfung und all den
großen und kleinen Wundern, die in dieser Schöpfung verborgen sind. Jedes
Mitgeschöpf ist ein solches Wunder.
(Ende WDR 4, Verabschiedung für WDR 3 und WDR
5:)
Es grüßt Sie Ihr Dietmar Arends, Landessuperintendent aus
Detmold.
Quellen:
(1) Zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Maria_Sibylla_Merian (letzter Abruf
01.03.24) Dort als Originalquelle angegeben: Maria Sibylla Merian: Das
Insektenbuch. Metamorphosis insectorum surinamensium. Insel, Berlin 2015, ISBN 978-3-458-20012-3, S. 7.
(2) Theologie-Kalender
2022. Schöpfungsverantwortung, hg. v. Klaus Altepost, Hans-Martin Lübking, Uwe
Moggert-Seils, Verlag Agentur Altepost 2015, ISBN 978-3-982-24281-1.
(3) Weisheit
11,24a.26, Lutherbibel 2017.
Redaktion:
Landespfarrerin
Petra Schulze
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