Falsche Bilder

Kirche in WDR2 | 05.03.2024 | 00:00 Uhr

Objektiv hat er nichts gegen

sie in der Hand. Aber objektiv ist er schon lange nicht mehr. Denn seine

Gedanken kreisen nur noch um den Verdacht, dass seine Frau ihn betrügt.

Manchmal ist sie so seltsam gut gelaunt, wenn sie nach Hause kommt. Zum

Beispiel vom Treffen mit ihrer besten Freundin. Wer weiß, ob sie dann wirklich

die Freundin getroffen hat. Oder jemand ganz anderen.

Seine Frau direkt darauf

anzusprechen, das traut er sich nicht. Aber der Verdacht nagt weiter an ihm.

Und so fängt er an, hier ein bisschen zu stöbern, da ein bisschen zu suchen.

Ihr Handy liegt manchmal unbeobachtet in der Wohnung herum. Das hat er schon

dreimal gecheckt und nichts gefunden. Was ihn aber von seinen Mutmaßungen nicht

abbringt.

Natürlich bleibt das seiner

Frau nicht verborgen: Wie er sich verändert, missmutig wird, sich komisch

verhält. Mit der Zeit wird auch sie misstrauisch ihm gegenüber. Und eines Tages

ist es so weit: Sie erwischt ihn mit ihrem Handy in der Hand. Im ersten Moment

versucht er, alles abzustreiten. Aber dann brechen die Verdächtigungen aus ihm

heraus. Er wirft seiner Frau wüste Unterstellungen an den Kopf und schreit sie

an: „Bildest du dir vielleicht ein, dass ich blind bin und nichts merke?“

Natürlich lässt sie sich das

nicht bieten. Sie schreit zurück, macht ihm klar, was sie von seinen

Beschuldigungen hält und dass sie mal gedacht hat, sie könnten einander

vertrauen. Einige Behauptungen kann sie auch sofort widerlegen, aber es nützt

alles nichts. Die Beziehung ist vergiftet. Seine Unterstellungen haben sie

auseinandergetrieben. Die falschen Bilder, die er sich von seiner Frau gemacht

hat. Die ihm suggeriert haben, ihre Liebe und Zuwendung zu ihm – das wäre alles

nur Fassade. Diese Bilder haben ihre Beziehung zerstört.

Genau daran ist bei manchen

Menschen auch die Beziehung zu Gott gescheitert. An Bildern, die suggerieren:

In Wirklichkeit steckt Gott gar nicht voller Liebe und Zuwendung. Sondern er

ist streng, kalt und gnadenlos. Oder alt, ohnmächtig und kraftlos. Auf jeden

Fall so, dass es sich nicht lohnt, ihm weiter zu vertrauen. Dass es keinen Sinn

hat, die Beziehung zu ihm aufrecht zu erhalten. Oder sie neu zu suchen.

Aber genau wie bei anderen

Menschen lohnt es sich auch bei Gott, die eigenen Bilder immer wieder in Frage

zu stellen. Sich neu auf die Beziehung einzulassen. Dann können neue

Erfahrungen die alten Bilder korrigieren. Und genau wie bei anderen Menschen wird

es dann für uns möglich, auch Gott neu zu vertrauen.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63473_WDR2240305Vogt.mp3

  • 5.3.2024
  • Martin Vogt
  • © Foto von Afif Ramdhasuma auf Unsplash
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