Wir
sitzen zuhause am Küchentisch, das Frühstücksbrötchen in der Hand, mein
Achtjähriger und ich. „Papa“, sagt er, „weißt du was ich werden will?“ Wir
haben das Thema dauernd. Er hat jeden Tag neue Ideen, was mal aus ihm werden
soll, wenn er groß ist. Es gibt so viele Möglichkeiten! Aber an diesem Morgen
ist er sich sicher: „Ich werde Pfarrer.“ „Oh,“ sage ich, ziemlich erstaunt. Die
Idee hatte er noch nie. Ich bin ein bisschen stolz: Das Kind tritt in die
Fußstapfen des Vaters! Ich frage: „Wie kommst du darauf?“ Er sagt: „Wenn ich
Pfarrer bin, muss ich nicht in den Krieg. Eigentlich möchte ich lieber Lehrer
sein. Aber als Lehrer muss ich in den Krieg und kämpfen. Und das will ich
nicht. Ich möchte ein ruhiges Leben haben.“ Damit habe ich nicht gerechnet. Ich
versuche, das Gespräch irgendwie noch in eine positive Richtung zu lenken. Aber
es klappt nicht so richtig. Weder für ihn, noch für mich. Es ist einfach
traurig, zu sehen, wie Krieg, Tod und Zerstörung in das Denken deines Kindes
einbrechen. Als echte Aussicht auf die Zukunft. Unsere Welt hat sich sehr
verändert in den letzten zwei Jahren. Ich mich auch. Der alte „Schwerter zu
Pflugscharen“-Aufkleber ist verschwunden. Friedenslieder singe ich nur noch
selten. „Let’s give peace a chance.“ Wie naiv das heute klingt! Heute kenne ich
die Namen von Flugabwehrsystemen, fachsimple über die Vor- und Nachteile
bestimmter Panzertypen. Und diskutiere: Was wird in der Ukraine dringender
gebraucht – Artilleriemunition oder Marschflugkörper? Oder doch eigene
Bodentruppen? Und dann schaut mich mein Sohn an und sagt: „Ich möchte nicht
kämpfen.“ Er möchte niemanden erschießen. Er möchte lieber Lehrer sein. Oder
Koch. Oder vielleicht doch lieber Astronaut. Ich erschrecke: Wann ist es
eigentlich passiert, dass der Krieg für mich zu einem so alltäglichen Thema
geworden ist? Oft merke ich gar nicht mehr, dass die Dinge, über die ich so
neutral rede, in Wahrheit Tod und Zerstörung bedeuten. Mir ist klar: Manchmal
kommt man im Leben an harten und schwierigen Entscheidungen nicht vorbei. Aber:
Sollte es mir nicht schwerer fallen? Sollten meine Sätze nicht nachdenklicher
sein und weniger vollmundig? „Selig sind die Friedensstifter.“, sagt Jesus. In
der Bergpredigt. Selig, das bedeutet: Besonders glücklich. Mittlerweile kommen
mir Zweifel. Nicht an Jesus. An mir: Ein besonders guter Friedensstifter bin
ich gerade wahrscheinlich nicht. Vielleicht bin ich auch deshalb gerade nicht
„besonders glücklich“.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth
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