Elfte Rheinische Friedenskonferenz reflektiert unfriedliche Zeiten

Am Samstag, den dritten März, war es wieder soweit. Die Rheinische Friedenskonferenz jährte sich zum elften Mal. Unter dem Titel „(Un-) friedliche Zeiten“ stand sie ganz im Zeichen der aktuellen Herausforderungen. Rund vierzig Teilnehmer und Teilnehmerinnen brachten sich, ihre Arbeit und Erfahrungen aktiv ein und zeigten auf, welch breites Spektrum die Friedensarbeit inzwischen aufweist.

Israel und Palästina im Fokus des Impulsvortrags
Im Mittelpunkt stand aber ohne Zweifel der Krieg in Israel und Palästina. Zu Beginn berichtete der Landespfarrer und Dezernent für den christlich-jüdischen Dialog, Wolfgang Hüllstrung über sein Kontaktstudium in Jerusalem und wie er die Attentate des 7. Oktober 2023 und deren Folgen erlebte. Hüllstrung, der in dieser bewegten Zeit mit seiner Frau in Jerusalem in einem katholischen Kloster lebte, zeigte sich besonders beeindruckt von der Resilienz der Israelis. Obwohl die Ereignisse das Land zunächst in einen tiefen Schockzustand versetzten, erfasste es doch sehr schnell eine große Welle der Solidarität. Israel, das bis dahin durch die Proteste gegen die geplante Justizreform und polarisiert war, zeigte sich danach geschlossen und einig in der Reaktion auf die brutalen Angriffe der Hamas. Auffällig war dabei, dass es gerade jene Kräfte waren, die zuvor gegen die rechtsextremen Bestrebungen der Regierung protestiert hatten, die sich um die Angehörigen der Geiseln und Opfer kümmerten.

Hüllstrung berichtete auch von seinen Gesprächen mit palästinensischen Christinnen und Christen, die sich ebenfalls schockiert zeigten, wenn auch aus anderen Gründen. Denn sie wussten, so der Landespfarrer, was auf sie zukommen würde – nämlich noch stärkere Kontrolle und Ausgrenzung – und insbesondere auf der Westbank Gewalt von Siedlern. Hüllstrung führte aus, dass es nicht möglich sei, eine objektive Wahrheit in dem neu aufgeflammten gewalttätigen Konflikt zu finden. Vielmehr könne es nur eine Multiperspektivität geben, die alle Seiten betrachten müsse. Die Wahrnehmung in Deutschland werde den Realitäten vor Ort meist nicht gerecht. Es helfe niemanden, sich in eine pro-israelische und eine pro-palästinensische Seite aufzuspalten. Die Geschichte der Beziehungen zwischen Israelis und Palästinensern dürfe nicht nur auf Gewalt und den Konflikt reduziert werden.

Barcamp als partizipatives Miteinander – Nahost als Querschnittsthema
In dem sich anschließenden Barcamp hatten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Gelegenheit, ihre eigenen Projekte, Arbeiten und Anliegen vorzustellen. Auch hier nahm die Gewalteskalation im Nahen Osten einen wesentlichen Teil ein. So berichtete beispielsweise die interreligiöse Bonner Initiative für Respekt und Zusammenhalt (BIRZ) davon, wie schwierig es war, einen Appell „Menschrechte sind unteilbar“ mit einer anschließenden Kundgebung am 4.2.2024 auf dem Bonner Markplatz zu organisieren. Die größte Leistung bestand darin, sich wertschätzend auseinanderzusetzen. Besonders hilfreich war es dabei, die jeweils eigenen Hintergründe zu verdeutlichen.

Andere Teilnehmer äußerten ihre Besorgnis über den Unfrieden innerhalb der deutschen Friedensbewegung, der durch die Ereignisse in Israel und Gaza beeinflusst wird. Sie sprachen sich gegen eine einseitige Sichtweise aus, die nur Israel in den Fokus nehme und die zahlreichen zivilen Opfer in Gaza außer Acht lasse. Die Kirchen müssten beide Seiten im Blick haben.

Auch das vorgestellte neue Impulspapier der Initiative „Sicherheit neu denken“ bezieht sich auf den Nahostkonflikt und wurde diskutiert. 

Atomwaffen, Friedensbildung, Gewaltlosigkeit und Konfliktursachen nicht aus den Augen verlieren
Weitere Themen der Friedenskonferenz waren die Friedensbildung und wie sie gestärkt und die Jugend wieder dafür gewonnen werden kann. In den verschiedenen Sessions sprachen sich die   TeilnehmerInnen dafür aus, wieder die Kernthemen wie Gewaltlosigkeit und soziale Verteidigung in den Fokus zu nehmen. Die Friedenstheologie müsse wieder konsequenter pazifistisch sein. Eine Gruppe befasste sich mit der anhaltenden atomaren Bedrohung und den Protesten in Büchel dagegen. Eine Session widmete sich der Frage, wie Konflikte überhaupt entstehen und ob sie immer lösbar sind. Dabei ging es auch darum, welches Mandat Friedensstifter haben und ob bzw. wie wirkmächtig sie überhaupt sein können.

Am Ende stand einmal mehr die Erkenntnis, dass der Weg zum Frieden lang und steinig ist und angesichts der neuen Herausforderung keineswegs einfacher geworden ist. Und dennoch bleibt die Verantwortung aus christlicher Perspektive, sich dort, wo es nötig ist, dafür einzusetzen. Für das bisher ungewohnte Format des Barcamps gab es in der Schlussrunde sehr ermutigende Rückmeldungen: „mehr Partizipation“, „mehr Austausch“, „mehr Auseinandersetzung“.

 

 

 

 

  • 5.3.2024
  • Jörgen Klußmann
  • Red