Der letzte Tag

Kirche in WDR2 | 22.03.2024 | 00:00 Uhr

„Wenn

ich einmal sterben sollte…“ ist so ein Satz, der mit einem Augenzwinkern

daherkommt. Das klingt, als wäre das nur eine Möglichkeit. Als ginge das Leben

fröhlich weiter. Immer. Tut es aber nicht.

Jetzt

habe ich dieses kleine Tool entdeckt, derletztetag.de. Meinen letzten Tag soll

ich planen. Die App fragt mich zuerst, auf wann ich den Wecker stelle. Extra

früh? Kalt duschen, bisschen Sport machen und dann schon etwas Kreatives tun,

bevor die andern überhaupt aufstehen? Ach was, ich stelle gar keinen Wecker.

Nächste Frage: Frühstück. Der große Brunch im Café oder Toast und Rührei

zuhause? Ich überlege. Mit gutem Essen kann man mich locken. Immer, auch am

letzten Tag. Und das Outfit? Schick oder lässig?

Dann werden die Fragen ernster. Wen willst Du nochmal treffen? Da fallen mir

ein paar enge Freunde ein, die natürlich nochmal vorbeikommen sollen. Wem gilt

dein letzter Anruf? Plötzlich diese Erinnerung: Wie mir die Schwester im

Krankenhaus ein Telefon in die Hand drückt, kurz bevor sie mich in den OP

schieben. „Keine Angst, wir bringen Sie da durch. Wollen Sie nochmal mit Ihrer

Frau sprechen?“ Puh… Ich bin dann Gott sei Dank auf der Intensivstation wieder

aufgewacht. Und weiß seither: So ist das mit dem letzten Tag, der kann

plötzlich kommen.

Was

sind deine letzten Gefühle, fragt die App. Ich bin mir nicht sicher. Wenn es so

schnell geht, wahrscheinlich Angst, wenn ich vorbereitet bin, vielleicht so ein

tiefer innerer Frieden. So ein Gefühl von: Alles ist gelebt, alles ist gesagt,

jetzt kann ich gehen. Mein Vater war 89, als er gestorben ist. Die letzten zwei

Monate lag er fest im Pflegebett. Sein Outfit: Windel und Schlafanzug. Gutes

Essen war für ihn, ein paar kleine Löffel Eis zu bekommen. Dann hat er

gestrahlt wie ein Kind.

Wie

wir eines Tages sterben, haben wir wahrscheinlich nicht in der Hand. Wenn doch

ein wenig, dann ist es gut, ein paar liebe Menschen zu haben, die sowas wie letzte

Hilfe leisten. Die „Letzte Hilfe“ ist eine Initiative der Hospizbewegung. Sie

bietet Kurse an für Menschen, die andere am Lebensende begleiten möchten. Wie

gut! Und auf deren Homepage gibt’s auch all die Fragen von „derletztetag“.

Auch

wenn der vielleicht noch weit weg ist: Ich halte meine Bucketlist kurz. Wünsche

erfüllen, Fragen stellen, Konflikte klären, gut essen, einen Ausflug machen

oder einen Anruf? Besser jetzt als später. Denn wenn ich einmal sterben sollte,

dann will ich gelebt haben.

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63584_WDR2240322Reinmuth.mp3

  • 22.3.2024
  • Titus Reinmuth
  • cco pixabay
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