Es allen recht machen wollen

Kirche in WDR2 | 06.03.2024 | 00:00 Uhr

Seit

er denken kann, ist es bei ihm zu Hause schwierig. Wegen jeder Kleinigkeit gibt

es Ärger. Bestrafungen aller Art kann er nur entgehen, wenn er möglichst

unauffällig ist. Widerstand ist ohnehin zwecklos. Also versucht er zunehmend,

es seinen Eltern recht zu machen. Möglichst gute Schulnoten. Keine Widerworte.

Und auch sonst nicht unangenehm in Erscheinung treten. Das ist seine Taktik.

Die geht einigermaßen auf. Aber nur bei ihm zu Hause. Später

als Erwachsener funktioniert das nicht mehr. Irgendwann sieht er ein: Ich kann

es nicht allen recht machen. Es klappt einfach nicht. Und außerdem muss ich

mich dabei total verbiegen. Mehr, als für mich gut ist.

Seine Ehe ist dafür ein prima Beispiel. Er hat

versucht, für seine Frau der richtige Mann zu sein. Hat sich selbst total

zurückgenommen. Und das Ergebnis? Sie hat ihn verlassen. Fand ihn zu

langweilig. Und irgendwie unecht.

Bei seinen Kindern ist es ähnlich gekommen. Er hat für

sie alles möglich gemacht. Inzwischen ist die Beziehung zu ihnen aber eher

durchwachsen.

Auf der Arbeit läuft es etwas besser. Zumindest kommt

er klar. Aber besonders beliebt ist er nicht. Seine Versuche, es allen recht zu

machen, haben ihm viele als Anbiederei ausgelegt. Richtig weitergebracht hat

ihn das jedenfalls nicht.

Mittlerweile ist er an dem Punkt angekommen, wo er

merkt: Kein Mensch kann es allen recht machen. Dazu sind wir gar nicht in der

Lage.

Deshalb will er jetztetwas ändern in seinem Leben. Und

sich so zeigen, wie er ist. Mit Fehlern, Schwächen und Irrtümern. Er will

ehrlicher sein, auch mal anecken, zu dem stehen, was er selbst für richtig

hält. Es braucht ein bisschen Mut, aber er probiert es.

Und tatsächlich glaube ich: So sind wir auch Gott recht.

Mit unseren Ecken und Eigenheiten und Fehlern. So akzeptiert Gott uns. So liebt

er uns. Bestimmt wünscht sich Gott manchmal, dass wir besser miteinander

umgehen. Behutsamer, rücksichtsvoller, freundlicher. Aber ganz bestimmt

erwartet er von uns keine Perfektion. Weder im Umgang miteinander noch in

sonstiger Hinsicht. Wenn wir stattdessen die Bedürfnisse anderer Menschen und

unsere eigenen Wünsche ins Gleichgewicht kriegen, dann ist schon viel erreicht.

Das dürfte dann auch ziemlich gut zu dem passen, was Gott von uns will. Denn so

kommen nicht nur die anderen zu ihrem Recht. Sondern wir selbst ebenfalls. Und

übermäßig verbiegen müssen wir uns auf diese Weise auch nicht.

Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth

https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63474_WDR2240306Vogt.mp3

  • 6.3.2024
  • Martin Vogt
  • © Foto von Headway auf Unsplash
Downloads