Und schon wieder in den
Baumarkt! Och nee, da war ich gestern erst. Aber mir fehlen Dübel. Und ohne die
geht nichts. Also hin. Mein Achtjähriger hat Wind davon bekommen. Er muss mit,
sagt er. Nicht, dass er an Dübeln interessiert wäre. Eher an der Bäckerei, die
am Ausgang des Baumarktes auf Kunden wartet. Er spekuliert auf ein Stück
Kuchen. Meinetwegen. Kaum angekommen am Baumarkt, geht es los: Der Parkplatz
ist voll, alle drängeln und schimpfen. Die Dübel liegen nicht da, wo ich sie
beim letzten Mal ganz bestimmt noch gesehen habe. Und natürlich: Niemand da,
den man fragen kann. Als ich sie endlich gefunden habe, reicht die Schlange an
der Kasse schon bis zu den Akkuschraubern. Und irgendeiner schiebt mir von
hinten mit großer Ausdauer immer wieder schwungvoll den Einkaufswagen in die
Hacken. Was für ein Tag! Ich will nur noch weg hier. Am liebsten in den Wald
ziehen. Sofort, allein und ohne Telefon. Manchmal ist die Welt ätzend. Und, na
klar, auch der Bäcker am Ausgang ist voll. Super! „Aber du hast es
versprochen.“ „Na gut.“, sage ich. Zähneknirschend. Und stelle mich an. Mein
Kleiner merkt wahrscheinlich, dass bei mir der Blutdruck steigt und die Laune
sinkt. Er umarmt mich. Auch wenn ich dazu eigentlich gar nicht in Stimmung bin.
Neben uns wartet vor der Bäckertheke ein älterer Mann. Vielleicht Mitte
siebzig. Er sieht die Umarmung und spricht mich an: „Sie haben es gut“, sagt
er, „sie werden umarmt.“ Ich bin völlig verwirrt. Erwartet hatte ich, dass er
sich über irgendetwas beschwert. Passend zum Tag. Und zu meiner Laune. Mit
Freundlichkeit hatte ich nicht gerechnet. Also sage ich gar nichts. Mein Sohn
schon. Er grinst den Mann an und sagt: „Soll ich Sie auch umarmen?“ Und bevor
der Mann antworten kann, greift sich der Kleine den älteren Herrn und legt
seine Arme um ihn. Für den Moment: Schweigen. Aber alle lächeln. Der Mann, mein
Sohn. Und ich auch, obwohl heute einer von diesen furchtbaren Tagen ist. Als
wir den Kuchen endlich bezahlt haben, bleiben wir noch eine ganze Zeit zu dritt
beieinanderstehen. Erzählen. Und verabschieden uns schließlich fröhlich. Ich
weiß nicht, was da passiert ist. Ich weiß nur, dass dieser eine freundliche
Satz und diese, an sich ziemlich ungehörige Umarmung meinen Tag gerettet haben.
Die Bibel sagt: „Lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und
wer liebt, der ist aus Gott geboren.“ (1. Joh 4,7) Da stehe ich als Theologe
und lerne von einem Kind und einem älteren Herrn, was das bedeutet. Einfach und
grundlos freundlich zueinander zu sein, gibt dem Leben einen ganz anderen
Geschmack. Und es ist nicht schwer. Müsste ich wohl einfach nur mal öfter
machen. Hilft sogar im Baumarkt.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth
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