Autorin: Guten Morgen. „Menschen werden gesehen von dir und danken dir.“
Der, von dem hier die Rede ist, heißt Thomas
Römbke und hat eine Woche lang die Ukraine bereist. Viele Menschen hat er so
gesehen und mit ihnen gesprochen. Die Fotos und Geschichten, die dabei
entstanden sind, hat er ausgestellt.
Besonders beeindruckt hat
mich das Bild von Vasyl. Er steht im Garten seines zerstörten Hauses in Donezk.
Ein paar unbrauchbare schwarze Schallplatten hat er unter den linken Arm
geklemmt und in der rechten Hand hält er einen kaputten Pappkarton mit der
Aufschrift: ‚The Beatles-Collection‘. 500 Schallplatten hatte er im Lauf des
Lebens vor dem Krieg gesammelt, die meisten seiner Lieblingsplatten sind nun für
immer verloren. „Um sein Leben wieder aufzubauen, begann Vasyl Honig
herzustellen. Mit viel Mühe pflegt er zwei Bienenvölker, die ihm einen
kostbaren Vorrat an Honig liefern.“ So lese ich es auf dem Textblatt, das neben
Vasyls Foto hängt. In einem TV-Interview von
der Lokalzeit Köln erzählt Thomas Römbke:
O-Ton Römbke: In der Region Donezk ist es tatsächlich
so, dass Sie kein Haus mehr finden, was in Ordnung ist. Es ist alles zerbombt.
Jedes Haus hat `ne Geschichte, und in jedem Haus wohnt ein Schicksal.
Autorin: Vasyl vor seinem zerstörten Haus erinnert mich an
Hiob, von dem in der Bibel erzählt wird. Hiob verliert alles, was ihm lieb und
wertvoll ist. So wie Vasyl. Das einzige, was Hiob bleibt, ist sein Glaube an
Gott. Irgendwann fängt Hiob einfach an, mit Gott zu schimpfen.
Und
das klingt so:
„Ich
schrei zu dir, aber du antwortest mir nicht. (…) Ich wartete auf das Gute, und
es kam das Böse. In mir kocht es und hört nicht auf. Habe ich etwa die Rechte
anderer missachtet, obwohl sie etwas gegen mich hatten? Habe ich den
Bedürftigen ihre Bitte verweigert?“
(Die
Bibel, Luther 2017, Auswahl aus Hiob 30,26f und 31)
Der
rechtschaffene Hiob fühlt sich zu Unrecht bestraft. Er klagt und er klagt Gott
an. Aber darauf geht Gott nicht ein. Und jetzt stellt Gott Hiob Fragen. Und
stellt die gesamte menschliche Logik in Frage. Gott fragt Hiob: Wo warst du,
als ich die Welt erschaffen habe? Darauf hat Hiob schlicht keine Antwort. Und
das ist heilsam. Für Hiob und so auch für mich. Denn von Hiob lerne ich, dass
es keine schnellen Antworten gibt in schrecklichen Situationen. Und ich lerne
auch, dass Menschen, die auf alles sofort eine Antwort haben, damit zu schnell
und zu voreilig sind.
O-Ton Thomas Römbke: Ich hab mich viel mit meiner Frau
da drüber unterhalten, mit meiner Familie und mit guten Freunden, um das halt
auch einfach mal erzählen zu können, damit das aus dem Kopf rauskommt, was man
da unten sieht.
Autorin: Es gibt keine klare Antwort auf das Warum. Damit
muss man erstmal klarkommen. Warum Menschen zu den Waffen greifen und
Diktatoren zu den Waffen rufen – ich persönlich werde es nie verstehen. Und
gleichzeitig höre ich immer wieder von Menschen, die schreckliches Leid
aushalten mussten, dass da plötzlich jemand war, ein Mensch, der Hilfe brachte.
So wie Thomas Römbke und seine Begleiter vom Blau-Gelben Kreuz. Sie brachten
Generatoren, Wasser und Nahrung. Und hörten zu und sahen hin. Hielten mit Vasyl
gemeinsam sein Leid aus.
O-Ton Tomas Römbke: Ich hab` `nen ganzen Rucksack voll
Demut mitgebracht, und ich bin sehr dankbar dafür, dass wir hier seit mehr als
80 Jahren in Frieden leben dürfen und hoffe, dass das noch lange so bleibt.
Autorin: Frieden fällt nicht vom Himmel, aber Menschen können
helfen. Auch im Krieg.
Meint Gerlinde Anders,
Pfarrerin in Leverkusen.
Quellen:
https://www1.wdr.de/lokalzeit/fernsehen/aachen/was-uebrig-bleibt-fotoausstellung-von-thomas-roembke-ueber-menschen-in-der-ukraine-100.html, letzter Zugriff am 15.2.2024
Vgl. https://www.radioleverkusen.de/artikel/fotograf-thomas-roembke-nach-ukrainereise-zu-besuch-1784179.html, letzter Zugriff am 28.1.2024.
Redaktion: Landespfarrerin Petra Schulze
https://www.kirche-im-wdr.de/uploads/tx_krrprogram/63465_WDR35240306Anders.mp3